„Wir werden das schon schaukeln!“- Wie Zuversicht Veränderung bewirkt

Viele Menschen, die einen Paartherapeuten aufsuchen, sind sehr wohl in der Lage, eigene Verhaltensweisen zu erkennen, die zu negativen Interaktionen mit dem Partner beitragen. Sie verfügen durchaus über Beziehungserfahrung und eine meist recht hohe Beziehungsintelligenz. Dennoch sehe ich häufig Paare frustriert und ohne Hoffnung auf Veränderung der immer wiederkehrenden Interaktionsmuster – zu viel haben sie schon versucht, zu oft sind sie schon in die alten Muster zurückgefallen. Es fehlt die Zuversicht, dass Veränderung möglich ist.

Denn sie wissen, was sie tun…

Beide Partner wissen eigentlich, dass sie mit dem eigenen Verhalten sehr wohl auch einen eigenen Beitrag zu den verhassten Situationen beisteuern. Oder sie sehen das spätestens, nachdem sie sich mit der partnerschaftlichen Misere etwas intensiver befasst haben. Sie sind sich bewusst, dass die gewählten eigenen Strategien nicht zielführend sind, weil die eigenen Aktionen genau die Reaktionen beim Partner hervorrufen, die sie selbst aus der Welt geschafft haben wollen.

Warum wird, obwohl beide Partner wissen, was zu tun wäre, der nötige eigenen Schritt in Richtung Veränderung nicht gegangen?

Einerseits hängt dies damit zusammen, dass wir viele unserer Strategien bereits in der Kindheit, im Kontakt zu unseren ersten Bezugspersonen, erlernt haben, sie seither fleißig praktizieren und schon weitgehend automatisiert haben. Sie fühlen sich vertraut und richtig an, auch wenn sie uns und dem, was wir erreichen wollen, in der gegenwärtigen Situation nicht mehr dienen.

Manchmal hilft die Erkenntnis, dass „mehr desselben“ eben nicht wirklich ein neuer Versuch ist, sondern eine Wiederholung darstellt.

Miteinander über die gemeinsamen Muster reden, freundliches, zugewandtes Grenzen setzen, vertreten der eigenen Position, bitten um Unterstützung beim Wechsel in ein besseres Zusammensein, üben des „guten Tons“, also insgesamt eine gewisse Beständigkeit und Hartnäckigkeit auf beiden Seiten, sind hilfreich und oft auch nötig.

Leider ist es aber häufig so, dass genau an dieser Stelle die Partner entdecken müssen, dass ein weiterer Bestandteil fehlt, der dringend notwendig ist, damit das gemeinsame Projekt Erfolg hat. Zuversicht. Zuversicht, dass Veränderung gelingen kann und der Glaube daran, der Partner könne oder wolle sich wirklich verändern.

Zuversicht

Was bedeutet in diesem Kontext Zuversicht? Zuversicht bedeutet die positive Einschätzung des Anderen. Zuversicht bedeutet, zu vertrauen, dass der Partner willig ist und sein Bestes geben wird, damit Veränderung möglich wird. Zuversicht bedeutet, dem Partner und sich selbst zuzumuten und zu vertrauen, „dass wir das schon schaukeln werden“.

Zuversicht als Haltung

Als Erstes ist Zuversicht also eine Haltung. Wie aber kommen wir dahin? Die Aussage „Es bewegt sich nichts“ sehe ich als Paartherapeutin erst einmal als Zeichen, dass da jemand „auf der Bremse steht“, oder, um beim Schaukeln zu bleiben: „Den Fuß nicht vom Boden kriegt“. Die Metapher vom Schaukeln ist sehr geeignet, um diesen paartherapeutischen Prozess zu verdeutlichen: wenn ein Paar in Therapie kommt, will es wieder Schaukeln, es will in Bewegung kommen, neue Ausblicke haben, wieder Freude und Spaß erfahren. Wenn ich nun meinem Partner nicht zutraue, dass er fähig ist, sein Verhalten zu ändern, seine Ansichten zu hinterfragen, als Person zu wachsen, dann bleibe ich sozusagen, nachdem ich die Schaukel in Spannung gesetzt habe, um Schwung zu holen, einfach mit einem Fuß am Boden stehen. Dieses Bild verdeutlicht ganz klar: da hat jemand etwas vor, tut es aber nicht. Oft sind es beide. (Wobei jeder denkt, er würde sehr wohl etwas verändern, der andere aber nicht.)

Was braucht es? „Den Fuß vom Boden nehmen“ bedeutet erst mal loslassen. Um loslassen zu können, muss ich achtsam sein, langsamer werden, innehalten, eine Lücke zwischen Reiz und Reaktion schlagen. Um genügend Distanz zu gewinnen, damit ich sozusagen von außen einen Blick auf die Situation werfen kann. Eine Beobachterposition einnehmen kann. Um mich dann zu entscheiden: Was braucht die Situation jetzt von mir? Wie kann ich zur Veränderung beitragen? Weg vom „ja, aber der Andere…“ und selbst den ersten Schritt in Richtung Veränderung tun. Schwung holen und beherzt den Fuß vom Boden nehmen. Es braucht neue, andersartige Reaktionen und Impulse und dazu auch neue Blickwinkel. Systemisch ausgedrückt: Egal wo, wenn sich an einer Stelle des Systems etwas bewegt, kommt das System als solches in Bewegung.

Wenn ich meinem Partner nicht zutraue, dass er gleichzeitig seinen Teil dazu tun wird, ist das ein schwieriger Schritt. Ich gehe das Risiko ein, (wieder) verletzt oder enttäuscht zu werden. Nur: Ohne dieses „Fuß vom Boden nehmen“ wird es kein Schaukeln geben. Zuversicht bedeutet also auch Mut. Mut beinhaltet einerseits Angstbewältigung, aber auch eine klare Entscheidung. Diese Entscheidung zu treffen, fällt manchmal etwas leichter, wenn der zweite Aspekt von Zuversicht klarer wird:

Zuversicht als Verhalten

Zuversicht bedeutet auch, den Partner so zu behandeln, als sei er schon zu der Version seines Selbst geworden, die ich mir wünsche.

Stellen wir uns zur Veranschaulichung uns selbst im Umgang mit einem Kind vor: Wenn wir bei einem Kind ein Verhalten bewirken möchten, wie erreichen wir das Gewünschte eher, wenn wir annehmen, es wird das schaffen, oder wenn wir denken und uns so verhalten, als ob es das erwünschte Verhalten ohnehin nicht schaffen wird?

Natürlich erwartet keiner von uns, dass wir unseren Partner wie ein Kind behandeln. Dennoch: Wenn wir verhindern wollen, dass wir selbsterfüllende Prophezeihungen schaffen, sollten wir im Auge behalten, dass unser Denken – über Worte und Taten – Folgen hat.

Ein beherztes „Ich versuch`s! Ich trau`s Dir zu!“ zu vermitteln, anstelle eines „Du zuerst!“, bedeutet, einen mächtigen positiven Impuls zu setzen.

Vielleicht braucht es mehrere Anläufe. Vielleicht braucht es eine Weile Einschaukeln. Manchmal vielleicht eine Prise Humor, ein „Ups, da sind wir wieder!“, ein Augenzwinkern.

Sich für die Haltung und das Handeln in Zuversicht zu entscheiden, braucht tatsächlich Mut, Optimismus, Abenteuerlust, Neugierde. Doch in ganz vielen Fällen lohnes sich, Anlauf zu holen, den Fuß vom Boden zu heben, loszulassen. Für ein beherztes „Wir werden das schon schaukeln!“.

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Vertrauen

Vertrauen

Eine Frage, die in meiner Praxis immer und immer wieder gestellt wird, ist die Frage: Wie kann ich vertrauen? Oder auch: Wie kann ich wieder vertrauen? Wie komme ich mit meinem Misstrauen klar? Ich bin auf diesen Aspekt der Angst bereits dort eingegangen, wo ich über Eifersucht gesprochen habe, möchte das Thema Vertrauen hier aber nochmals vertieft betrachten, da Vertrauen eine elementarer Bestandteil von befriedigenden, funktionierenden Beziehungen ist. Gleichgültig, ob es sich um eine neue Beziehung handelt, in der die Basis für Vertrauen noch sehr klein ist, um eine bereits gewachsene Beziehung oder um eine Beziehung, in der Vertrauen missbraucht oder verletzt wurde.

Vertrauen besteht aus zwei Komponenten: die eine lässt sich so formulieren: „Wenn Du Deinen Worten Taten folgen lässt, kann ich Dir vertrauen“. Je länger und je öfter der eine Partner hält, was er verspricht, handelt, wie vorausgesagt und bestätigt, was er hat ahnen lassen, desto leichter fällt es dem anderen Partner, darauf zu vertrauen, dass das Gegenüber im eigenen Sinne oder im Sinne der Partnerschaft handelt. Diese Komponente von Vertrauen, enthält einen gewissen Anteil von SICHERHEIT. Erst wenn sich das Gegenüber positiv verhalten hat, wächst das Vertrauen.

Der anderen Komponente von Vertrauen fehlt dieser Aspekt der Sicherheit. Sie ließe sich am ehesten mit dem Satz: „Ich schenke Dir einen Vorschuss“ beschreiben. Wenn ich einer anderen Person vertraue, WEISS ich NICHT, ob sie sich dieses Vertrauens würdig zeigen wird. Ich habe keine Sicherheit darüber, ob ich enttäuscht werden werde oder alleine gelassen oder verletzt. Ich muss Vertrauen schenken, ohne Gegenleistung. Vorerst.

Wenn es zum Vertrauensbruch gekommen ist, zur Untreue, zum Verrat, dann ist es für die betroffene Person mitunter immens schwierig, Vertrauen als Vorschuss zu schenken. Viele Betroffene in meiner Praxis verzweifeln vielmehr fast an dem riesengroßen Misstrauen, das sich breit macht. Das „Du musst es mir beweisen“ der ersten Komponente von Vertrauen bringen manche noch zustande. Doch wie soll man Vertrauen als Vorschuss schenken, wenn da ständig diese Stimmen einem sagen: „Du bist ja bescheuert, wenn du jetzt einfach wieder vertraust! Du hast ja gesehen, dass er/sie dich betrügt! Wenn du vertraust, wirst du wieder verletzt! Du musst Beweise fordern! Du brauchst Versprechungen/Verträge/Absicherungen!“ Und vor allem: „Du musst kontrollieren!“ – Das Handy, die Mails, jeden Kontakt, jedes Gespräch, jede Bewegung… Jedes Wort und jede Tat wird von nun an auf die Waage gelegt.

EIN NEUES PROBLEM ENTSTEHT: DAS MISSTRAUEN IST MIT IM RAUM.

Wo immer das Paar sich hinbewegt…

Oft Monate nach dem Vertrauensbruch noch genauso vehement, wie kurz danach.

Hier gibt es meiner Ansicht nach zwei Optionen, die sich der misstrauische Partner ganz klar vor Augen halten muss:

Natürlich kann der betrogene Partner, der, dessen Vertrauen missbraucht worden ist, versuchen, den „Täter“ zu beobachten und zu kontrollieren. Er kann verlangen, dass der andere ganz genau Rechenschaft ablegt über sein Tun. Oder dieses stark einschränkt, oder auf „gemeinsames Tun“ beschränkt. Vielleicht muss er sogar auf die eine oder andere Weise Buße tun. Doch wird das das Vertrauen stärken? Wird es verhindern, dass, wenn eine Einladung von außen kommt, zu „streunen“, der Partner untreu wird? – Die Beziehung wird durch ein solches Zusammenleben so stark belastet, dass ich als Therapeutin sagen muss: wohl kaum. Eher im Gegenteil. Wenn eine Beziehung als schlecht empfunden wird, ist die Tendenz, dass ein Partner sich plötzlich einer anderen Person zuwendet, natürlich größer, als wenn beide Partner die Beziehung als erfüllend und befriedigend empfinden. So wird also das, was der misstrauische Partner befürchtet, durch sein eigenes Verhalten viel wahrscheinlicher, tritt am Ende als klassische „Selbsterfüllende Prophezeihung“ ein…

Bleibt nur die zweite Option:

Sich auf die Verbesserung der Beziehung zu konzentrieren. Einerseits auf das, was vor dem Verrat vielleicht gefehlt hat. An Bedürfnisbefriedigung, an Kompetenzen, an Vereinbarungen. Andererseits auf das, was gut läuft, gefällt, eine gemeinsame Basis bietet. Und wenn dies nicht klar ist, sich zu bemühen, dies herauszufinden. Aufzuarbeiten, was schief gelaufen ist. – Wenn dann eine „Einladung zu Streunen“ von außen kommt, dann steht dieser Einladung eine bessere, gefestigtere und befriedigendere Beziehung gegenüber. Und die Wahrscheinlichkeit, dass der Partner treu bleibt, vergrößert sich!

Gleichzeitig steht natürlich oft ein sehr großer Aufwand an Selbstberuhigung, Ablenkung, oft auch an Entwicklung von Selbstbewusstsein und Eigenständigkeit, beim misstrauischen Partner an. Und ein Üben von Vergebung, ja sogar Großmut. – Eine oft wahrhaft große Aufgabe, zu der „Betrogene“ nicht selten erst einmal nicht bereit sind. Oft trifft mich dann die Frage: „Warum muss ICH jetzt die ganze Vertrauens-Arbeit leisten, wo ich doch das Opfer bin?!!!“

Meine Antwort ist immer die selbe: Es ist nicht ganz gerecht… Aber es bleibt kein anderer Weg.

Manchmal braucht es ein paar Anläufe. Manchmal ist der Prozess nicht alleine zu schaffen und professionelle Begleitung ist vonnöten. Manchmal entscheidet der betroffene, betrogene Partner, dass ihm der Aufwand nach den ganzen Verletzungen schlicht zu viel ist. Oder dass er die Kraft nicht hat, diesen Ängsten nicht den Kampf ansagen kann oder will und er lieber aus der Beziehung aussteigt. Dass er sich in ruhigere, sicherere Gewässer begeben möchte.

Natürlich muss der Partner, der das Vertrauen gebrochen hat, jetzt seinen versprechenden Worten nach Besserung Taten folgen lassen und somit die erste Komponente von Vertrauen schaffen. Und natürlich sollte der Vertrauen-schenkende dies nicht zig-Mal wiederholen. (Bei Wiederholungstätern gibt es irgendwann nur noch eine Reaktion: Genügt mir nicht. Ich steige aus.). Doch ohne diese zweite Komponente, den Vorschuss hilft jede Besserung des „Täters“ nichts. Das Misstrauen wird nicht verschwinden, ohne dass das „Opfer“ auch seinen eigenen Beitrag leistet. Manchmal ist Vergeben nicht möglich. Manchmal ist Vergessen nicht möglich. Doch manchmal gelingt der eine Schritt und manchmal sogar beide. Mit einem positiven Seiteneffekt: persönlichem Wachstum.

Damit die Partner sich nicht auf neuer Ebene in Dauerkonflikten finden, gibt es eine Möglichkeit, sich miteinander zu verbinden, die von Paaren oft als sehr hilfreich empfunden wird. Nämlich die, das „Misstrauen“ wirklich als etwas zu betrachten, das der Feind BEIDER Partner ist. Oft sieht sich der schuldige/verdächtigte Partner in einer Situation, wo der andere sozusagen mit seinem Misstrauen verbündet ist, den warnenden Stimmen mehr Gehör gibt als den eigenen Entschuldigungen, Versprechungen und Besserungsbeteuerungen. Er reagiert irgendwann genervt und ohne Zuversicht auf ständige Rückschläge im Vertrauensprozess des Geschädigten. Der misstrauische Partner fühlt sich allein gelassen in einem Zustand, den er nur zum Teil oder gar nicht verursacht hat, unter dem er massiv leidet. Er sieht sich neuerdings auch noch beschuldigt, nicht zum Vorwärtsgehen in der Lage zu sein.

Das Misstrauen als den gemeinsamen Feind zu betrachten, ermöglicht es, in Momenten, wo grüblerische Gedanken und zweifelnde Stimmen zum Bohren, Nachfragen und Kontrollieren zwingen wollen, den Partner zu informieren: „Das Misstrauen ist wieder da, ich komme so schwer dagegen an – Kannst Du mich bitte mal in den Arm nehmen?“ Dies ermöglicht beiden Partnern eine zugewandte Haltung statt eines Rückzugs oder gar gegenseitiger Angriffe.

Und manchmal ist es schon die Lösung für den einen Moment.

Verwandter Blogpost: Eifersucht: Wenn die eigenen Gefühle zum Feind werden.

Eifersucht: Wenn die eigenen Gefühle zum Feind werden

Eifersucht ist ein sehr belastendes Thema. Für den Eifersüchtigen, für den Partner, für die Beziehung. Eifersucht ist ein schwieriges Thema. Ein SEHR schwieriges… Tatsächlich und vor allem, weil uns dabei unsere eigenen Gefühle zu unserem Feind werden.

Gefühle geben uns wichtige Informationen über uns selbst und sie sind existentielle Voraussetzung sowohl dafür, uns in Beziehungen zurecht zu finden wie auch dafür, uns durch unsere Umwelt zu navigieren.

So kann Eifersucht uns klar zeigen, dass uns eine andere Person sehr wichtig ist; dass wir Angst haben, sie zu verlieren.

Dennoch empfinden die meisten Menschen Eifersucht eher als „unbezähmbares Monster“, das sie nicht an ihrer Seite haben möchten.

In der Tat hat Eifersucht überwiegend negative Effekte:

Da ist einmal ihre Unkontrollierbarkeit: Eifersucht treibt uns in den Strudel einer Besessenheit von Gedanken, die uns übermannt und beherrscht und uns zu einer völlig anderen Person macht. Wenn wir uns auf diese Regung konzentrieren, werden wir von ihr aufgesaugt. Sobald wir uns den Gedanken widmen, nehmen sie Besitz von uns. Sie werden zur Obsession. Nicht selten wird dann aus weiß schwarz – Graustufen-Interpretationen sind meist nicht diskutabel.

Verleugnungstendenzen sind ein weiterer schwieriger Aspekt von Eifersucht. Fragen wir Menschen, die nicht in einer Beziehung sind, ob sie eifersüchtig sind, dann kategorisieren sich die meisten als „nicht der eifersüchtige Typ“. Erst in Beziehung werden wir mit dem Phänomen konfrontiert – doch auch da bleiben viele bei der Behauptung, sie seien „eigentlich nicht eifersüchtig“, nur das Verhalten des Partners verursache eine solch außergewöhnliche Reaktion.

In meiner Praxis begegnen mir immer wieder Menschen, die nicht nur einfach versuchen, Eifersucht zu verstecken, sondern trotz heftigster Gefühlswallungen sich selbst einreden, dass sie nicht eifersüchtig sind. Warum?

Weil Eifersucht hässlich ist, weil sie uns verletzlich macht, weil sie uns unsouverän zeigt, weil sie irrational ist und weil wir eigentlich ganz genau wissen, dass wir, wenn wir ihr Raum geben, das, was wir lieben, damit zerstören. Und nicht zuletzt, weil all dies dazu führt, dass wir uns ihrer schämen.

Scham war noch nie ein guter Ratgeber und so täuschen wir uns selbst gerne mit dem Argument, dass, wenn dieses negative, mächtige Gefühl da ist, es irgendwo eine Berechtigung dazu geben muss, einen Anlass, einen triftigen Grund. So kommt ein weiterer negativer Effekt dazu: das Verschieben von Verantwortung. Wenn „es“ mich überfällt, dann muss es ja von außen kommen. Und ich bin das Opfer. So muss es einen Täter geben. Und der ist wohl der andere. Der Partner…

Tatsächlich hat manchmal im Vorfeld ein Treuebruch stattgefunden; in einer früheren Beziehung, zwischen den eigenen Eltern als unseren Vorbildern oder auch tatsächlich in der aktuellen Beziehung. Dies erschwert den Umgang mit Eifersucht sehr und macht das Misstrauen mitunter zu einem neuen, in manchen Fällen unüberbrückbaren Problem. Ich werde unten darauf zurückkommen. Dennoch führen Verleugnung, Scham und Verschiebung von Verantwortung dazu, dass viele Menschen eines übersehen: Eifersucht hat in erster Linie mit uns selbst zu tun.

Genauer gesagt mit eigener Selbstunsicherheit und mit unserem Besitzdenken.

Machen wir uns nichts vor: natürlich wären wir alle gerne so selbstbewusst, uns zu sagen, dass wir attraktiv und interessant genug sind, dass wir genügend liebenswerte und bewundernswerte Attribute besitzen und in der Gesamtheit so begehrenswert sind, dass unser Partner sich, auch bei Einladungen von außen, niemals in einer Art verhalten würde, die wir als ein Sich-anderen-zuwenden oder Uns-etwas-wegnehmen oder gar als illoyal oder untreu bezeichnen würden. Oder als Zeichen einer ungenügenden Beziehung mit uns. – Sind wir aber meist nicht. Denn das genau ist die Angst hinter Eifersucht: ungenügend zu sein.

Eifersucht signalisiert uns Gefahr. Wenn wir uns unserer Selbstunsicherheit nicht bewusst sind, dann führt uns diese vermeintliche (oder manchmal tatsächliche) Gefahr dahin, den anderen zu verdächtigen. Was zunächst nur ein Verdacht ist, wird durch unser Denken und Grübeln und unsere negativen Gefühle plötzlich zum Tatbestand. Wir unterstellen unserem Partner unzuverlässig, unbeständig, untreu, heuchlerisch, verräterisch zu sein. Was wir nicht mit Sicherheit wissen. Mehr noch: hätten wir die erleichternde Gewissheit, würde sie uns gleichzeitig wieder verletzen, ja zerstören. – Ein unseliger Abwärtsstrudel…

Die zweite Angst hinter Eifersucht ist die Angst, jemanden oder etwas zu verlieren, den/das wir lieben, der/das sehr wertvoll für uns ist. Wir können aber nur verlieren, was wir besitzen oder zu besitzen glauben. Hast Du schon mal beobachtet: in der Phase, in der wir einen Menschen „erobern“ sind wir nicht eifersüchtig. Erst mit dem Moment, wo wir ihn „besitzen“ erlauben wir uns diese Regung – womit wir die Person zu einem Objekt machen (spürst Du, wie unangenehm diese Erkenntnis ist? und sofort kommt der Schamaspekt von Eifersucht zum tragen. Verflixt…

Ich liebe Dich – Ich besitze Dich – Ich mache Dir Vorschriften – Ich kontrolliere Dich – Ich glaube irrsinnigerweise, auch im Besitz Deiner Gedanken zu sein: „Ich WEISS, dass Du xy denkst!!!“

Die Rolle des Eroberers macht uns zuvorkommend, verständnisvoll, großherzig, nachgiebig, nett.

Die Rolle des eifersüchtigen Besitzers… –  wollen wir alle nicht haben.

Was tun, wenn der Wille, selbstbewusster zu sein und keine Besitzansprüche zu haben nicht hilft? Was, wenn ich eigentlich selbstbewusst bin und den anderen bereits weitestgehend nicht als meinen Besitz zu betrachten versuche? Und dennoch dieses Gefühl immer wieder habe und nicht wirklich in den Griff bekomme?

Das In-den-Griff-bekommen von Eifersucht hat verschiedene Stadien:

– Bemerken, Bewertungsfreies Beobachten

– Akzeptanz

– Loslassen/Bearbeiten von eigen Anteilen /Grenzen setzen

Als Erstes gilt es, zu beobachten und zu bemerken:

Dass ich plötzlich diese Gedanken habe und diese peinigende Regungen, des Den-anderen-verdächtigen, jemanden anderen unterhaltsamer, hübscher, begehrenswerter, kompetenter zu finden und des Sich-vorstellens, dass der andere ihm/ihr Aufmerksamkeit, Zeit, Gedanken, Zuwendung, vielleicht sogar Körperlichkeit schenken könnte, von denen ich glaube, dass sie mir zustehen und mir zukommen sollten. Dass sich daraus Wut/Ärger entwickelt, ob des (manchmal realen, oft nur potentiellen!) Verhaltens meines Partners und des definierten oder auch unbestimmten Gegenübers, dem eben diese Aufmerksamkeit, Zeit, Gedanken, Zuwendungen etc. zukommen. Dass sich hinter einer solchen Wut Angst verbirgt und Traurigkeit. Und damit verbunden: Schmerz.

Und gleichzeitig, als Zweites, zu akzeptieren:

Ja! Ich bin wohl eifersüchtig! Und ja! Es tut mir nicht gut.

Die Scham, die oft sofort aufkommt gegenüber den eigenen Gedanken und Gefühlen – wie gerne würden wir großzügig dem Partner größeren Spielraum gewähren oder andere Interpretationen über Situationen haben – oder auch gegenüber bereits abgehaltenen Eifersuchtsszenen, in denen wir den anderen anklagen und beschuldigen und empört verlangen, er/sie solle sich gefälligst so verhalten, das man selbst nicht eifersüchtig sein MÜSSE, auch diese Scham müssen wir leider akzeptieren, oder zumindest als existent anerkennen, um mit ihr umgehen zu können. Verleugnen hilft nun einmal nicht.

Doch in diesem Akzeptieren, von allem, was da ist an Gedanken, Gefühlen und Regungen entsteht etwas Neues: Ein Freiraum. Ein Raum, in dem sich Gefühle verändern können. Wenn ich Angst oder Traurigkeit akzeptiere, dann vermindern sie sich nicht selten. In diesem Raum kommt aber noch eine weitere Möglichkeit dazu: die Möglichkeit, loszulassen.

Loslassen braucht diesen Freiraum. Diese Lücke zwischen Reiz und Reaktion, in der ich mich bewusst entscheiden kann, wie ich reagieren will. Loszulassen braucht oft eine willentliche Entscheidung. Eine Entscheidung dazu, nicht mehr Sklave der eigenen Ängste zu sein. Eine Entscheidung, am eigenen Selbstwertgefühl zu arbeiten. Eine Entscheidung, dem anderen zu vertrauen. Loslassen bedeutet nicht, ich stelle mich blind. Es bedeutet nicht, ich setze keine Grenzen, wo ein Verhalten mir nicht gut tut.

Es bedeutet aber: ich tue alles daran, nicht durch ein eifersüchtiges Denken und Verhalten eine Selbsterfüllende Prophezeiung zu erschaffen, in dem ich meine Beziehung durch Eifersucht in einen so schlechten Zustand versetze, dass, wenn denn dann eine „Einladung“ an meinen Partner getragen wird (sei es durch eine Person oder eine Situation), sich einem/einer anderen zuzuwenden in einer von mir nicht gewünschten Art, sich dieser nicht WEGEN ebendiesem von mir kreierten Zustand von mir abwendet.

Es bedeutet, ich vertraue und bemühe mich um eine gute, erfüllte Beziehung. Ich schenke meinem Partner sozusagen einen Vorschuss. (Zum Thema Vertrauen werde ich demnächst einen Text schreiben).

Einen Aspekt müssen wir uns ganz klar vor Augen halten: auch wenn ich mich trenne, bleibt mir MEIN eigener ANTEIL an dem Interaktionsmuster erhalten. Ich nehme ihn mit in die nächste Beziehung, wenn ich ihn nicht davor bearbeite. Und wäre dann nicht die Tatsache, einen Partner zu haben, der mich in meinen Anteilen herausfordert,  eine hervorragende Gelegenheit, ein idealer Übungsplatz, diese Veränderung anzugehen? Und damit eine Chance, aus der Sache als Gewinner hervorzugehen. Unabhängig von Gehen oder Bleiben.

Natürlich ist eine Frage, die wir uns stellen müssen, immer auch: genügt es mir? (Anstelle der Frage „genüge ich“?) Was, wenn ich mir sagen muss: ok, meinen Teil habe ich getan, dennoch empfinde ich das Verhalten meines Partners als verletzend und als unsere Partnerschaft nicht wertschätzend?

Denn, wie auch immer die Situation gelagert ist – sowohl wenn ICH durch meine Lebensgeschichte zu einem eifersüchtigen Menschen geworden bin, wie auch in der Situation, in der MEIN PARTNER sich sehr grenzüberschreitend verhält betreffend die Themen Teure, Solidarität, Loyalität – müssen wir uns am Ende die Frage stellen: kann und will ich damit Leben oder wäre es besser/einfacher/funktionaler mir einen anderen Partner zu suchen, der zu der mir eigenen Art zu „sein“ passt? Es bedeutet auch, mit dem Partner das Gespräch zu suchen über Werte und Grenzen: Was ist Deine Vorstellung von Autonomie und Bindung in einer Beziehung? Wo sind Deine Grenzen, wo meine, jenseits von der Angstbewältigung, die jeder selbst angehen muss. Miteinander die Frage zu beantworten: stellen wir wirklich die gleichen Ansprüche an uns selbst wie an den anderen? Oder wird ein Verhalten, das ich bei mir als völlig harmlos, unbedeutend und akzeptabel betrachte zu einem völlig anders bewerteten Verhalten, wenn es das meines Partners ist – und umgekehrt? Messen wir den anderen wirklich mit dem gleichen Maßstab wie uns selbst? Und wenn wir einfach andere Werte/Standards haben: wessen Standard soll dann gelten? Und nicht zuletzt: eine Verletzung bleibt eine Verletzung, auch wenn der Täter in seinem Tun keine Verletzung beabsichtigt. So muss jeder Mensch seine eigene Grenzen finden, dafür einstehen  und darauf bestehen, dass eine Regel gilt: das Opfer definiert, was eine Grenzüberschreitung ist und nicht der Täter.

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