Neuanfang: Wie wir eine Krise als Chance nutzen

Koordinatensystem

Wenn wir vor einem Neuanfang stehen, sind wir oft einmal orientierungslos. Dies gilt auch für Beziehungen. Manch einer gerät in eine persönliche Krise, wenn eine Beziehung zu Ende geht. Für sich selbst ein Koordinatensystem abzustecken kann helfen, neue Wege zu finden und erste Schritte zu gehen.

Veränderungen machen oft Angst

Veränderungen machen oft Angst. Aus diesem Grund lassen wir die Dinge häufig lieber wie sie sind. Das gilt auch für Beziehungen. Oft auch für unbefriedigende, unglücklich machende, dysfunktionale Beziehungen. Wir leiden; doch was wir haben, kennen wir. Was wir kennen, scheint uns sicherer als das Unbekannte – es könnte ja noch schlimmer kommen.

Manchmal jedoch geraten wir in Krisen. Wir befinden uns plötzlich in Situationen, die uns entgleiten. Vielleicht haben wir sie selbst herbeigeführt, vielleicht auch nur unseren Teil dazu beigetragen. In manche geraten wir ganz unverschuldet (z.B. durch den Tod eines geliebten Menschen). Auch wenn wir uns selbst für die Auflösung einer Beziehung entschieden haben, weil es einfach so nicht weitergehen konnte, können wir in eine persönliche Krise geraten.

Der Boden scheint uns buchstäblich unter den Füßen weggerissen, wir verlieren den Halt. Wir befinden uns gefühlsmäßig in einem Dschungel, in dem wir Gefahr laufen, die Orientierung zu verlieren. Wir werden aus gewohnten Zusammenhängen und Abläufen und vielleicht auch aus weiteren zwischenmenschlichen Verbindungen gerissen.

Egal, ob diese Veränderungen von uns initiiert wurden oder nicht, in solchen Krisen brauchen wir Mut. Mut, den wir der Angst entgegenstellen können. Mit diesem Mut eröffnen wir uns die Möglichkeit, die Krise zu einer Chance werden zu lassen: Einer Chance zur Veränderung. Einer Chance für persönliches Wachstum.

Mut zu haben bedeutet erst einmal, die Herausforderung anzunehmen.

Schritte persönlicher Veränderung

Manch einer mag sich fragen: Wie erlange ich diesen Mut? Aus therapeutischer Sicht ist es hilfreich, einige der Schritte etwas näher zu betrachten, die zu persönlicher Veränderung führen können und diejenigen Prozesse ins Auge zu fassen, die förderlich sind, um missliche Lagen als Chance zu nutzen. Sie sind sozusagen die Koordinaten an die wir uns immer wieder halten können, wenn wir Orientierung suchen.

Achtsam sein, Schmerz annehmen, Klarheit gewinnen

Als erstes ist es wichtig, sich darüber klar zu werden, was gerade passiert, hier, jetzt, in dem Moment, wo wir den Boden unter den Füßen zu verlieren glauben. Achtsam sich selbst zu betrachten. Vielleicht können wir uns eingestehen, dass wir gerade einen Verlust erleiden (auch wenn eine Trennung vielleicht befreiend wirkt, bedeutet das Realisieren, in einer Beziehung gescheitert zu sein, oft einen großen Verlust: den Verlust einer Hoffnung, eines Bezugssystems, manchmal eines Lebensplanes). Dann können wir den Schmerz darüber annehmen. Schmerz anzunehmen heißt nicht, ihn mit einem „Hurra!“ willkommen zu heißen oder umgekehrt, darin zu versinken. Schmerz anzunehmen bedeutet, wahrzunehmen, dass mir da etwas wirklich weh tut. Dieses eingestehende „ja, so ist das“, das wertfreie Beobachten dessen, was ist, lässt uns Abstand nehmen, führt uns zu größerer Klarheit. Diese Klarheit bedeutet auch, sich bewusst zu werden, dass alles, was lebt, im Wandel ist. Dinge verändern sich. Auch unsere Beziehungen, auch wir selbst. Achtsam sein mit uns selbst hilft uns, die Situation, in der wir uns befinden und uns selbst, mit unserer Angst, mit unserem Schmerz zu akzeptieren und anzunehmen. Achtsam sein bedeutet in diesem Moment, auch die bestehenden Probleme nicht zu verdrängen, sich andererseits auch in diesen nicht zu verlieren – aber: sie zu betrachten, zu versuchen sie zu benennen, um dann, aus der entstehenden Distanz heraus, feststellen zu können, was wir brauchen und wollen oder eben nicht mehr wollen.

Akzeptanz

Akzeptanz ist ein weiteres wichtiges Element für Veränderung. Sich selbst zu akzeptieren, aber auch den Anderen. Mit allen Unzulänglichkeiten und Unmöglichkeiten. Wenn es uns gelingt, das Gute im Vergangenen zu würdigen und uns selbst und dem Anderen zu verzeihen, dann wird Loslassen möglich. Die Sicht, dass jeder Mensch in einem bestimmten Augenblick das Beste tut, was ihm in diesem Augenblick möglich ist, kann das Verzeihen erleichtern. Manchmal ist es (noch) nicht möglich, dem Anderen zu verzeihen, dann mag es hilfreich sein, sich selbst anzunehmen, als jemanden, der noch nicht verzeihen kann. Das Gute im Vergangenen würdigen, bedeutet nicht nur Dankbarkeit für die schönen Momente und für das, was wir erleben durften. Es bedeutet auch, die Lektionen zu achten, die uns das Leben gelehrt hat, wie auch die Person, die sie uns beigebracht hat. Wenn wir diese Dankbarkeit empfinden können, kann uns das in schwierigen Situationen helfen, uns den zu bewältigenden Aufgaben, dem Neuen zuzuwenden, statt dem Alten anzuhaften. Festhalten, Kontrolle und der Versuch zu manipulieren, bringen nur neuen Schmerz. Wenn es gelingt loszulassen, dann wird der Blick nach vorne frei.

Der Blick nach vorne bedeutet: Motivationen zu suchen, Ressourcen aufzuspüren, ein Ziel anzuvisieren.

Motivationen und Ressourcen suchen

Hier wird nun ganz wichtig, unsere Wahrnehmung auf das Hilfreiche, Förderliche, Vorwärtsbringende zu richten. Wir können Dinge und Situationen stets von verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Wir nehmen sie unterschiedlich war, je nachdem, worauf wir achten, welche „Brille“ wir tragen, wie wir das, was wir sehen bewerten.

Wenn mein Partner mich verlässt, weil er mich nicht mehr liebt, kann ich das als großes Unglück sehen, als Abwertung, als Verletzung, als Zeichen, versagt zu haben, nicht wertvoll  oder wichtig genug zu sein oder gar als Schande.

Ich kann es aber auch als Chance sehen, mir einen neuen Partner zu suchen, der besser zu mir passt, der mehr auf mich eingeht, mich mehr respektiert. Und mich befreit fühlen von einer unglücklichen Beziehung, die ich vielleicht selbst nie verlassen hätte. Vielleicht gelingt es mir sogar, mir bewusst zu machen, dass ich, obwohl mich mein Partner nicht mehr liebt, dennoch ein liebenswerter Mensch bleibe; und er auch.

Dies nur als Beispiele für Bewertungen, die wir vornehmen könnten. Was in jedem Fall zutrifft: wir werden uns entsprechend der vorgenommenen Bewertungen fühlen. Traurig, wütend, beschämt einerseits oder glücklich, gelassen, befreit andererseits.

Es ist also hilfreich, sich ein Bild zu machen darüber, wie wir uns unsere Wirklichkeit konstruieren. Das braucht etwas Übung. (Manche dieser Betrachtungsweisen werden uns vielleicht nie klar, wir betrachten schließlich gewisse Dinge schon einen großen Teil unseres Lebens in gleicher Weise!). In dem Moment, wo wir einen Neuanfang machen wollen, ist es aber äußerst wichtig, unsere Aufmerksamkeit auf solche Sichtweisen und Bewertungen zu richten. Wenn ich glaube, dass ich etwas schaffe, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass eben dies eintrifft um ein Vielfaches größer, als wenn ich von vornherein glaube, das was ich vorhabe, sei aussichtslos!

Wer erfolgreich neue Wege gehen will, richtet seinen Blick ganz bewusst auf das, was ihn unterstützt und motiviert, was ihm Halt gibt und Kraft. Was brauche ich gerade? Wie kann ich es erreichen? Was würde mir Freude machen, mich entspannen, was mir helfen, diese schwierige Aufgabe zu bewältigen? Welche Personen bauen mich auf, können mir als Vorbild dienen, welche Kontakte sollte ich im Augenblick eher meiden, weil sie mich zu viel Energie kosten? Welche Fähigkeiten habe ich, die mich weiterbringen? Welche Erfahrungen habe ich schon gemacht, die mir jetzt helfen können? Gab es schon ähnliche Situationen, die ich erfolgreich gemeistert habe und wie ist mir das gelungen?

Mit diesen Hilfen im Gepäck können wir unseren Fokus auf einen neuen Weg, ein neues Ziel richten.

Ein neues Ziel vor Augen

Wenn wir wissen, was uns stärkt, motiviert, Freude bereitet, dann ist das oft schon ein Hinweis darauf, wohin der Weg gehen soll. Sich konkret ein Ziel vor Augen zu halten, ist ein nächster Schritt. Denn: nur wenn ich ein Ziel habe, kann ich ein Ziel erreichen! Wo will ich enden? In welcher Situation, Umgebung, Gesellschaft, Beschäftigung? Welche meiner Eigenschaften und Vorlieben sollen Raum erhalten?Welche Werte sollen dort zum tragen kommen, welche Bedürfnissen soll Rechnung getragen werden? Allzu oft wurde vor der Krise nur der Frage gefolgt „Genüge ich?“. Die Fragen „Genügt es mir?“ oder „Was entspricht mir?“ sind aber genauso wichtig, wenn wir dauerhaft glücklich sein wollen. Nun ist Gelegenheit dazu, die Krise als Chance zu nutzen!

Wer erfolgreich Veränderungen vornehmen will, hat mit dem Annehmen der eigenen Persönlichkeit und dem Akzeptieren der Situation, dem Loslassen von dem, was loszulassen ist und dem Ziel vor Augen, wohin der Weg gehen soll, den hilfreichen Gedanken und der förderlichen Wahrnehmung schon ein taugliches Koordinatenpaket geschnürt, mit dem er sich auf den Weg begeben kann. Nun ist es wichtig, sich auch entschlossen in Bewegung zu setzen.

In Bewegung kommen

Etwas zu verändern, in Bewegung zu kommen, bedeutet: aktiv daran zu arbeiten. Wir selbst sind verantwortlich. (Egal, ob wir Schuld an Vergangenem haben oder nicht, für Zukünftiges tragen wir Verantwortung.) Das kann heißen: Kontakte knüpfen, um Hilfe bitten, Unterstützung organisieren, sich ablenken, wo Ablenkung kurzfristig nötig ist. Um dann wieder beherzt einen nächsten Schritt zu tun. Neue, ungewohnte, beängstigende Situationen aktiv anzugehen, braucht, wie gesagt, Mut. Gerade wenn Schritte anstehen, die uns Angst einflößen, müssen wir uns bewusst machen, dass Angst zurückweicht, wenn man ihr in die Augen schaut. Das bedeutet: Die Aufgabe als Herausforderung betrachten, statt als Bedrohung, um diese dann in „kleinen Portionen“ zu bewältigen. Kleine Schritte gehen! Mit jeder beängstigenden Situation, der wir uns einmal gestellt haben, wird es leichter.

Gnädig uns selbst gegenüber

Wenn wir merken, wir kommen nicht weiter, betrachten wir wiederum achtsam die Situation: Was passiert gerade? Wo habe ich einen nicht hilfreichen Blickwinkel eingenommen? Trage ich gerade die falsche „Brille“? Oder habe ich vielleicht noch nicht wirklich gesehen, was zu verändern ist? Vielleicht müssen wir uns auch wieder in Selbstakzeptanz üben und uns für den Moment eingestehen, dass wir uns das zwar wünschen würden, aber zu einem bestimmten Schritt noch nicht ganz bereit sind. Seien wir gnädig mit uns.

Wir brauchen nicht zu versuchen, etwas zu erzwingen. Tun wir die Schritte, die in dem Moment gerade etwas leichter fallen, werden die anderen folgen. Wir dürfen darauf vertrauen, dass gewisse Prozesse von selbst ablaufen, wenn wir sie zulassen. Immer im Bewusstsein, dass wir dahin kommen, wohin wir uns ausrichten, wohin wir steuern.

Wenn wir im Augenblick noch keinen Mut finden, nicht loslassen wollen, nicht verzeihen wollen, dann dürfen wir uns für den Moment getrost eingestehen, dass das so ist. Dann dürfen wir uns selber als jemanden akzeptieren, der noch nicht vorwärts gehen kann. Wertfreie Akzeptanz, dass gewisse Dinge sind, wie sie sind, schafft Klarheit. Klarheit ist der erste kleine Schritt zur Freiheit, Entscheidungen zu treffen.

Manchmal hilft es, auf dem Weg durch die Krise jemanden an der Seite zu haben. Einen Freund, ein Familienmitglied, einen Coach, einen Berater. Wohlwollende Unterstützung und der Blick von außen machen manche Schritte einfacher.

Doch manchen reicht die aussichtsreiche Perspektive, das Ziel am Ende des Weges, um den Mut zu fassen, die Herausforderung anzunehmen, die Veränderung zu wagen, sich auf den Weg zu machen, im Vertrauen darauf, anzukommen. Die Krise als eine Chance zu nutzen.

„Wir werden das schon schaukeln!“- Wie Zuversicht Veränderung bewirkt

Viele Menschen, die einen Paartherapeuten aufsuchen, sind sehr wohl in der Lage, eigene Verhaltensweisen zu erkennen, die zu negativen Interaktionen mit dem Partner beitragen. Sie verfügen durchaus über Beziehungserfahrung und eine meist recht hohe Beziehungsintelligenz. Dennoch sehe ich häufig Paare frustriert und ohne Hoffnung auf Veränderung der immer wiederkehrenden Interaktionsmuster – zu viel haben sie schon versucht, zu oft sind sie schon in die alten Muster zurückgefallen. Es fehlt die Zuversicht, dass Veränderung möglich ist.

Denn sie wissen, was sie tun…

Beide Partner wissen eigentlich, dass sie mit dem eigenen Verhalten sehr wohl auch einen eigenen Beitrag zu den verhassten Situationen beisteuern. Oder sie sehen das spätestens, nachdem sie sich mit der partnerschaftlichen Misere etwas intensiver befasst haben. Sie sind sich bewusst, dass die gewählten eigenen Strategien nicht zielführend sind, weil die eigenen Aktionen genau die Reaktionen beim Partner hervorrufen, die sie selbst aus der Welt geschafft haben wollen.

Warum wird, obwohl beide Partner wissen, was zu tun wäre, der nötige eigenen Schritt in Richtung Veränderung nicht gegangen?

Einerseits hängt dies damit zusammen, dass wir viele unserer Strategien bereits in der Kindheit, im Kontakt zu unseren ersten Bezugspersonen, erlernt haben, sie seither fleißig praktizieren und schon weitgehend automatisiert haben. Sie fühlen sich vertraut und richtig an, auch wenn sie uns und dem, was wir erreichen wollen, in der gegenwärtigen Situation nicht mehr dienen.

Manchmal hilft die Erkenntnis, dass „mehr desselben“ eben nicht wirklich ein neuer Versuch ist, sondern eine Wiederholung darstellt.

Miteinander über die gemeinsamen Muster reden, freundliches, zugewandtes Grenzen setzen, vertreten der eigenen Position, bitten um Unterstützung beim Wechsel in ein besseres Zusammensein, üben des „guten Tons“, also insgesamt eine gewisse Beständigkeit und Hartnäckigkeit auf beiden Seiten, sind hilfreich und oft auch nötig.

Leider ist es aber häufig so, dass genau an dieser Stelle die Partner entdecken müssen, dass ein weiterer Bestandteil fehlt, der dringend notwendig ist, damit das gemeinsame Projekt Erfolg hat. Zuversicht. Zuversicht, dass Veränderung gelingen kann und der Glaube daran, der Partner könne oder wolle sich wirklich verändern.

Zuversicht

Was bedeutet in diesem Kontext Zuversicht? Zuversicht bedeutet die positive Einschätzung des Anderen. Zuversicht bedeutet, zu vertrauen, dass der Partner willig ist und sein Bestes geben wird, damit Veränderung möglich wird. Zuversicht bedeutet, dem Partner und sich selbst zuzumuten und zu vertrauen, „dass wir das schon schaukeln werden“.

Zuversicht als Haltung

Als Erstes ist Zuversicht also eine Haltung. Wie aber kommen wir dahin? Die Aussage „Es bewegt sich nichts“ sehe ich als Paartherapeutin erst einmal als Zeichen, dass da jemand „auf der Bremse steht“, oder, um beim Schaukeln zu bleiben: „Den Fuß nicht vom Boden kriegt“. Die Metapher vom Schaukeln ist sehr geeignet, um diesen paartherapeutischen Prozess zu verdeutlichen: wenn ein Paar in Therapie kommt, will es wieder Schaukeln, es will in Bewegung kommen, neue Ausblicke haben, wieder Freude und Spaß erfahren. Wenn ich nun meinem Partner nicht zutraue, dass er fähig ist, sein Verhalten zu ändern, seine Ansichten zu hinterfragen, als Person zu wachsen, dann bleibe ich sozusagen, nachdem ich die Schaukel in Spannung gesetzt habe, um Schwung zu holen, einfach mit einem Fuß am Boden stehen. Dieses Bild verdeutlicht ganz klar: da hat jemand etwas vor, tut es aber nicht. Oft sind es beide. (Wobei jeder denkt, er würde sehr wohl etwas verändern, der andere aber nicht.)

Was braucht es? „Den Fuß vom Boden nehmen“ bedeutet erst mal loslassen. Um loslassen zu können, muss ich achtsam sein, langsamer werden, innehalten, eine Lücke zwischen Reiz und Reaktion schlagen. Um genügend Distanz zu gewinnen, damit ich sozusagen von außen einen Blick auf die Situation werfen kann. Eine Beobachterposition einnehmen kann. Um mich dann zu entscheiden: Was braucht die Situation jetzt von mir? Wie kann ich zur Veränderung beitragen? Weg vom „ja, aber der Andere…“ und selbst den ersten Schritt in Richtung Veränderung tun. Schwung holen und beherzt den Fuß vom Boden nehmen. Es braucht neue, andersartige Reaktionen und Impulse und dazu auch neue Blickwinkel. Systemisch ausgedrückt: Egal wo, wenn sich an einer Stelle des Systems etwas bewegt, kommt das System als solches in Bewegung.

Wenn ich meinem Partner nicht zutraue, dass er gleichzeitig seinen Teil dazu tun wird, ist das ein schwieriger Schritt. Ich gehe das Risiko ein, (wieder) verletzt oder enttäuscht zu werden. Nur: Ohne dieses „Fuß vom Boden nehmen“ wird es kein Schaukeln geben. Zuversicht bedeutet also auch Mut. Mut beinhaltet einerseits Angstbewältigung, aber auch eine klare Entscheidung. Diese Entscheidung zu treffen, fällt manchmal etwas leichter, wenn der zweite Aspekt von Zuversicht klarer wird:

Zuversicht als Verhalten

Zuversicht bedeutet auch, den Partner so zu behandeln, als sei er schon zu der Version seines Selbst geworden, die ich mir wünsche.

Stellen wir uns zur Veranschaulichung uns selbst im Umgang mit einem Kind vor: Wenn wir bei einem Kind ein Verhalten bewirken möchten, wie erreichen wir das Gewünschte eher, wenn wir annehmen, es wird das schaffen, oder wenn wir denken und uns so verhalten, als ob es das erwünschte Verhalten ohnehin nicht schaffen wird?

Natürlich erwartet keiner von uns, dass wir unseren Partner wie ein Kind behandeln. Dennoch: Wenn wir verhindern wollen, dass wir selbsterfüllende Prophezeihungen schaffen, sollten wir im Auge behalten, dass unser Denken – über Worte und Taten – Folgen hat.

Ein beherztes „Ich versuch`s! Ich trau`s Dir zu!“ zu vermitteln, anstelle eines „Du zuerst!“, bedeutet, einen mächtigen positiven Impuls zu setzen.

Vielleicht braucht es mehrere Anläufe. Vielleicht braucht es eine Weile Einschaukeln. Manchmal vielleicht eine Prise Humor, ein „Ups, da sind wir wieder!“, ein Augenzwinkern.

Sich für die Haltung und das Handeln in Zuversicht zu entscheiden, braucht tatsächlich Mut, Optimismus, Abenteuerlust, Neugierde. Doch in ganz vielen Fällen lohnes sich, Anlauf zu holen, den Fuß vom Boden zu heben, loszulassen. Für ein beherztes „Wir werden das schon schaukeln!“.

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