Liebe schenken in der Partnerschaft
„Du gibst mir nicht, was ich brauche“ höre ich sehr oft in meiner Praxis. Gleichzeitig bedeutet das oft „ich weiß nicht, ob Du mich (noch) liebst“. Unsere Bedürfnisse gerade von der uns wichtigsten Person erfüllt zu bekommen, ist uns sehr wichtig. Doch wie steht es denn mit den Möglichkeiten für den Anderen, dies überhaupt zu erfüllen?
Ist es nicht ein wenig wie mit dem (Geburtstags-, Weihnachts-, Jubiläums- etc.) Geschenke suchen, finden und verschenken? Ein näherer Blick darauf scheint mir hilfreich:
Gerade dann, wenn uns eine Person sehr wichtig ist, möchten wir etwas Passendes schenken. Etwas, worüber dieser Mensch sich möglichst maximal freut, das ihm nützt, gefällt, seinem Typ und seinen Interessen entspricht. Etwas, das dieser Person zeigt, dass er oder sie uns wichtig und der Sache wert´ ist. Das entsprechende Geschenk zu finden, lassen wir uns häufig viele Gedanken, Mühe, Zeit und Geld kosten. Doch was, wenn das Geschenk nicht passt?…
Als Paartherapeuten begegnen uns solche Bemühungen des „Gebens und Nehmens“ sehr oft; im Paarkontext geht es da ganz konkret darum, LIEBE zu schenken, zu zeigen, zu beweisen aber auch zu empfangen und annehmen zu können. Die Bemühungen sind hier oft schon ein „Abmühen“, Frustration macht sich breit.
„Ich kann tun und lassen was ich will, meiner Frau ist es nie recht, ich glaube, sie liebt mich nicht mehr.“
„Mein Mann kennt nur die Arbeit, verbringt seine ganze Zeit in der Arbeit und denkt auch zu Hause nur an die Arbeit. Er sagt, es gehe anders nicht, er tue es doch für mich und die Familie und bringe ja schließlich auch genügend Geld nach Hause, das ich ja auch gerne ausgebe. Er sieht, wie einsam ich bin und dass ich möchte, dass er mehr Zeit zu Hause ist, sagt aber, es sei nicht möglich, wegen der Arbeit. Ich glaube, er liebt mich nicht wirklich.“
Konfrontiert mit den Klagen des Anderen beteuern die Partner ihre Liebe und fühlen sich ihrerseits unverstanden, unzureichend und in ihren Bemühungen nicht wertgeschätzt, oft haben sie längst schon resigniert.
Was eine Zweierbeziehung so wertvoll macht, ist wohl ohne Zweifel die Liebe zwischen den Partnern. Liebe zu schenken und geschenkt zu bekommen ist ein wesentlicher Bestandteil dessen, was eine partnerschaftliche Beziehung von anderen unterscheidet, was sie besonders macht. Es ist immens wichtig für die Partner, zu spüren, dass sie geliebt werden.
Was nun, ist geschehen, wenn plötzlich die Partner daran zweifeln, ob sie vom Anderen noch geliebt werden? Wenn sie der Ansicht sind, sich Mühe zu geben, sich einzusetzen, Zeit und/oder Geld aufwenden, um der Beziehung gerecht zu werden, dem anderen zu genügen. Und durchaus auch der Meinung sind, dass sie dem anderen LIEBE schenken. Doch der andere das einfach nicht sieht, es ihm nicht reicht oder er damit nicht zufrieden ist?
Im alltäglichen Geschenke-Schenken überlegen wir uns, wenn wir merken, dass der Beschenkte nicht die Begeisterung zeigt, die wir erwartet haben, ob wir wohl das falsche Geschenk erwischt haben, den falschen Geschmack oder evtl. nur eine unpassende Verpackung. Wir versuchen vielleicht, es umzutauschen oder suchen zumindest das nächste Mal nicht mehr diese Art von Geschenk aus.
Doch tun wir das auch, wenn wir auf emotionaler Ebene schenken wollen? Wenn wir unsere Liebe zeigen wollen? Prüfen wir genauso sorgfältig, was er andere braucht? Wovon er schon genügend hat? Berücksichtigen wir, was ihm allgemein Freude macht, was schon mal gut angekommen ist und ob das noch aktuell passend ist? Oder greifen wir beim „Liebe schenken“ immer wieder zum gleichen Geschenk? Weil es für uns stimmig ist, unsere Liebe auf eine ganz bestimmte, immer wieder gleiche Art zu zeigen? Nämlich auf diejenige Weise, in der wir sie auch empfangen möchten? Schenken wir etwa vorwiegend das, was uns gut tun würde? Gehen wir da hauptsächlich von unseren Bedürfnissen aus?
Der Paartherapeut Gary Chapman spricht in diesem Zusammenhang von den „fünf Sprachen der Liebe“. Er meint, dass es fünf Sprachen gebe, die wir benutzen, um Liebe zu zeigen. Oder, vom anderen Standpunkt aus gesehen, die man mit uns sprechen muss, damit wir verstehen, dass wir geliebt werden.
Chapman spricht von folgenden „Sprachen der Liebe“: Lob und Anerkennung (dazu gehören auch Komplimente, ermutigende, freundliche und höfliche Worte), Zweisamkeit (Zeit nur für den Partner, gemeinsame Unternehmungen, Zwiegespräche, ungeteilte Aufmerksamkeit), Geschenke, die von Herzen kommen (in diesem Falle also tatsächlich `Dinge´, die dem Anderen zeigen, dass man an ihn gedacht hat, sich etwas für ihn extra ausgesucht hat; aber auch sich selber schenken: die eigene Gegenwart schenken, in Momenten, wo es dem Partner wichtig ist, dass man anwesend ist), Hilfsbereitschaft (Gefälligkeiten und Dienstleistungen, die man aus Liebe für den Anderen tut; sich einsetzen für das Wohl des Anderen) und Zärtlichkeit (von der flüchtigen Berührung über die – vielleicht Trost gebende – Umarmung, zu Liebkosungen, Massagen und dem eigentlichen Geschlechtsakt).
Obwohl jeder von uns, meiner Meinung nach, alle dieser „Sprachen“ ein wenig spricht, also für die meisten Arten von Liebesbezeugung dankbar ist – wer darüber nachdenkt, wird bestimmt noch andere Sprachen und noch viele Dialekte zu einer Sprache finden – ist der wesentliche Aspekt von Chapmans Aussage wohl dennoch zutreffend: Wenn wir nicht die Sprache unseres Gegenübers sprechen, können wir uns sehr lange bemühen, unsere Liebe zu zeigen; unter Umständen verstehen wir einander aber schlichtweg nicht.
So kann der Mann aus obigem Beispiel, um der Familie jeden erdenklichen Luxus zu ermöglichen und um einen bestimmten gesellschaftlichen Status zu erlangen, seine gesamte Lebenszeit arbeitend verbringen – wenn sie Sprache der Liebe seiner Frau Zweisamkeit ist, dann wird sie ihm nicht dankbar und liebevoll begegnen können und ihm ihrerseits die Anerkennung verweigern, die er vielleicht, wenn das seine Sprache der Liebe sein sollte, so sehr bräuchte, damit ihn der ganze Einsatz nicht ausbrennen lässt.
So „reden“ die Partner also buchstäblich aneinander vorbei – in einer Vielzahl von möglichen Missverständnissen und Fehlinterpretationen… Der jeweils eine ist zwar der Meinung, dem jeweils anderen viel zu geben. Dennoch bleiben die emotionalen Tanks auf beiden Seiten leer. Der Mann (im obigen Beispiel), der Anerkennung braucht, um sich geliebt zu fühlen, geht leer aus, weil seine Frau sich nur über seine Abwesenheit beklagt. Die Frau, die Zweisamkeit als Liebesbeweis bräuchte, kann die Zeit und die Güter, die ihr Partner ihr schenkt nicht wirklich wertschätzen, da ihr Tank leer bleibt. Und so schließt sich der negative Zirkel und schaukelt sich so langsam hoch, nicht selten bis zur Eskalation.
Wir können also nicht einfach davon ausgehen, dass unser Partner unsere Sprache spricht, dass er genauso „tickt“ wie wir. Wir können nicht erwarten, dass das, was wir so liebevoll geben, als genauso liebevoll gemeint angenommen werden kann. Wir müssen lernen zu erkennen, welche Sprache der Liebe unser Gegenüber spricht.
Diese Erkenntnis macht zweierlei notwendig:
Einerseits neugierig zu sein und offen, welche Sprache mein Partner spricht. Das ist oft erst einmal diejenige, in der er selbst ganz automatisch Liebe zeigt und schenkt. So lässt sich am Schenk-Verhalten des Anderen manchmal seine Sprache erkennen. Ein anderer Weg dies zu tun, wäre, genau hinzuhören, was mein Partner an mir kritisiert. Das ist häufig ein deutlicher Hinweis darauf, welche Bedürfnisse bei ihm nicht erfüllt werden, was meist gleichbedeutend ist damit, welche „Sprache“ er verstehen würde. Wenn wir auf Kritik nicht gekränkt oder ärgerlich reagieren, sondern nachfragen, was denn wirklich sein Anliegen, sein Wunsch an uns wäre, wird oft ein Austausch möglich, darüber was wir brauchen, was uns gut tun würde. Wir sollten dabei nicht vergessen, dass wir uns alle verändern. So ist es hilfreich, aufmerksam zu sein, ob sich die Art und Weise, wie ich meinem Partner Liebe schenken kann, vielleicht im Laufe der Zeit verändert – wie sich Bedürfnisse im Laufe der Zeit ganz normal verändern können.
Andererseits ist es wichtig, als Beschenkter auch offen und ehrlich rückzumelden, was mir gut tut: was mir wichtig wäre im Allgemeinen und was ich gerade im Augenblick bräuchte und mir wünschen würde. Auch hier kann uns die Analogie zum alltäglichen Geschenke-Schenken ein Wegweiser sein. Wenn wir etwas geschenkt bekommen, das uns nicht gefällt, nicht zu uns passt, das wir schon zig-fach haben, dann gelingt es uns meistens trotzdem recht gut, mit solch unpassenden Geschenken umzugehen. Manchmal können wir ganz großzügig über das Missgeschick hinwegsehen und würdigen, dass der Schenkende von Herzen geschenkt hat. Eine andere Möglichkeit, mit unpassenden Geschenken umzugehen ist, dem Anderen zwar innerlich vorzuwerfen, dass er das eigentlich hätte wissen müssen, aber es doch zu schaffen, die Angelegenheit mit Distanz zu betrachten. Wir sind enttäuscht, berücksichtigen aber wahrscheinlich dennoch, dass es ja ein Geschenk ist und nach dem Motto „einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“, schaffen wir es eventuell, die ganze Sache nicht persönlich zu nehmen. Manchmal bringen wir sogar den Mut auf, den Anderen zu bitten, die Ware umtauschen zu dürfen, in der Hoffnung, dass dieser die Initiative ergreift, das Unglück rückgängig zu machen.
Beim Geschenk LIEBE sind wir da nicht annähernd so tolerant. Wir sind persönlich verletzt, sehen es als Mangel der Beziehung oder des Partners, wenn er nicht automatisch weiß, was für uns ein Zeichen der Liebe wäre. Dabei sind sich viele Menschen selbst nicht im Klaren, welche Sprache sie eigentlich sprechen. Wenn wir uns nun mit Hilfe des Konstruktes der „Sprachen der Liebe“ bewusst werden, dass es hilfreich wäre herauszufinden, in welcher Sprache wir sprechen und in welcher Weise wir unseren Partner beschenken können, dann können wir diese Verletzungen überwinden und den ersten Schritt in Richtung passender Geschenke tun.
Dazu ist es meist nötig, miteinander zu reden. Mancher mag solche Gespräche, solche Offenheit scheuen. Manche haben nie gelernt, derartige Wünsche kund zu tun, sich emotional zu offenbaren. Nicht selten wird befürchtet, diese Offenheit führe unweigerlich zu weiteren Konflikten mit dem Partner. Und nicht zuletzt ist zu solcher Offenheit auch die Auseinandersetzung mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen erst einmal notwendig. Was nicht jeder bereits zu tun gelernt hat. An dieser Stelle kann evtl. eine Beratung hilfreich sein. Doch am Ende ist auch dieses „sich dem Anderen zumuten“ können und dürfen (in Form von Bitten und Wünschen anstelle von Kritik) ein Geschenk an den Partner, an die Beziehung.
Wenn jemand, der die Sprache von Lob und Anerkennung spricht, mit Zärtlichkeiten verwöhnt wird, dann mag er das sehr schön finden. Aber bei Erhalt eines Lobes oder einer anerkennenden Bemerkung wird er sich in seinem Wesen angenommen, sich geliebt fühlen. Wenn jemandem, dessen Sprache Zärtlichkeit ist, viel Zweisamkeit geschenkt wird, dann wird er gemeinsame Unternehmungen und Erlebnisse schätzen und sie in guter Erinnerung behalten, es wird ihm aber dennoch etwas fehlen. Für diese Person jedoch kann eine liebevolle Umarmung eine kaum zu überbietende Liebesbekundung sein.
Wenn es gelingt, Unterschiedlichkeiten zu bemerken, zu formulieren, zu würdigen und wertzuschätzen, wird es möglich, dem Anderen die eigene Liebe in der Form anzubieten, in der er sie mit Freude, Befriedigung und Dankbarkeit als wirkliches Geschenk annehmen kann. Und umgekehrt wird möglich, dass Schenken wirklich Freude macht.