Paartherapie bei schwerer Erkrankung eines Partners

Eine schwere, in manchen Fällen chronische, manchmal potentiell tödliche Krankheit eines Partners stellt eine immense Belastung nicht nur für die beiden Partner, sondern auch für die Beziehung dar. Dies gilt sowohl für psychische (z.B. Depression) wie auch körperliche (z.B. Krebserkrankung) Krankheiten.

So ist es in vielen Fällen sinnvoll, neben der ärztlichen und psychotherapeutischen Behandlung des erkrankten Partners, auch als Paar professionelle Hilfe heranzuziehen.

Die Konfrontation mit einer schweren oder chronischen Erkrankung stößt außerordentliche Dynamiken bei beiden Partnern an. Die zuvor in der Beziehung eingenommenen Rollen können nicht mehr erfüllt werden, Aufgaben müssen „umverteilt werden“, neben Angst, Hilflosigkeits- und Überlastungsgefühlen können Schuldgefühle, Ungeduld und Wut auf beiden Seiten auftauchen.

Im Gegensatz zu einer akuten Krankheit ist kein Ende absehbar, was die Gefühle des Ausgeliefertseins und das Empfinden des „nicht mehr Könnens“ verstärkt.

Beide Partner leiden. So brauchen beide, der kranke wie der gesunde Partner, Unterstützung und Beratung. Beide haben das Bedürfnis Wertschätzung und Anteilnahme zu erfahren und ernst genommen zu werden mit ihren Anliegen, Sorgen und Ängsten. Wie sie sich die Partner dies auch gegenseitig geben können, kann Inhalt einer Paartherapie sein.

Unter Umständen haben sich, mit dem schleichenden Beginn der Krankheit, hinderliche Verhaltensweisen und Denkmuster in die Beziehung eingeschlichen, die einen Blick von außen nötig machen, um aufgedeckt werden zu können.

Wurde die Beziehungsqualität schon vor dieser Krise als unbefriedigend beurteilt, so wird die Krankheit manchmal als unüberwindbares Hindernis für das Paar empfunden. Aber auch bei einer als gut empfundenen Beziehung und zusätzlichem guten Willen des gesunden Partners, den kranken Partner nach bestem Können zu unterstützen, kann es in einer solchen Überforderungssituation zu ambivalenter Unterstützung  mit großen Anteilen an Abwertung (z.B. bereitwilliges Helfen mit ständig vorwurfsvollem Gesprächston) oder gar zu feindseliger Unterstützung kommen. Hier ist Klärung nötig und Kommunikationstraining oft schon eine Hilfe.

Eine Tatsache, die sehr oft übersehen wird und die immer wieder zum Scheitern wohlgemeinter Bemühungen führt, ist, dass auch gut gemeinte, empathische Unterstützung dysfunktional sein kann. So lohnt es sich, auch darauf ein Auge zu halten:

Eine schwere Krankheit kann das Selbstwertgefühl und das Selbstvertrauen des Betroffenen stark beschädigen. So kommt es oft zu Gefühlen der Hilflosigkeit, Wertlosigkeit, Hoffnungslosigkeit. Gut gemeinte Zuwendung von Seiten des gesunden Partners, Verständnis, Entlastung, Schonung und Unterstützung werden in solchen Situationen empfunden als Abhängigkeit, Entmündigung, Ungleichgewicht; die eigene Person wird als schwach und dem Gesunden zur Last fallend gesehen. Der gesunde Partner wird als zu mächtig und zu einflussreich empfunden. Dies alles kann dazu führen, dass sich der Kranke noch wertloser, noch hoffnungsloser, noch schuldiger fühlt (diese auch bei Depression typischen Symptome werden dadurch geradezu aufrechterhalten, die Müdigkeit und Antriebslosigkeit in der Folge verstärkt, was wiederum die Selbstkritik und Selbstabwertung vermehrt. Ein Teufelskreis entsteht). Außerdem wird oft die Krankenrolle durch diese Privilegien der Schonung, Fürsorge und Unterstützung noch unterstützt.

So können sich, manchmal ziemlich abrupt, oft aber über Jahre sich einschleichend, Muster entwickeln, die dazu führen, dass die Beziehungsqualität abnimmt, statt wie gewollt sich zu verbessern. Zumal sich der gesunde Partner chronisch selbst überlastet, seine Bedürfnisse und Interessen vernachlässigt, sich immer stärker als unwirksam und hilflos empfindet.

So ist es Bestandteil einer begleitenden Paartherapie, den Partnern zu zeigen, dass konstruktive Unterstützung nicht nur liebevollen, verständnisvollen Umgang meint, sondern auch klares und grenzsetzendes Verhalten auf beiden Seiten verlangt; dass die Selbstpflege des Gesunden genauso wichtig ist und nicht nur einseitige, sondern gegenseitige Unterstützung gefragt ist. Diese Reziprozität ist zentral, um das Gleichgewicht in der Partnerschaft zu erhalten bzw. wieder herzustellen. Die Annahme, dass der kranke Partner nicht auch ein unterstützender sein kann, weil es ihm zu schlecht geht, kann, wie soeben gezeigt, überaus schädlich sein. Natürlich kann es sich in vielen Fällen nicht um ein 1:1 Geben und Nehmen handeln, das Ziel ist eher ein „so viel wie möglich“.

So geht es in dieser Wechselseitigkeit um gegenseitiges Kommunizieren von eigenen Gefühlen, Überlegungen und Erwartungen (keiner der Partner kann hellsehen!) um ehrliches Feedback und aktives Zuhören. Partnerschaftliche Bewältigung  heißt auch, sich in seinen Schwächen, Ängsten, seiner Traurigkeit und Inkompetenz zeigen zu dürfen.  Es geht um gegenseitiges füreinander Dasein, gegenseitige Unterstützung, gegenseitiges Interesse, gegenseitiges Sich-aufeinander-verlassen-können.

Hier kann begleitende Paartherapie ansetzen.

Jenseits des Problems Krankheit kann nach Lösungen gesucht werden, können Ressourcen gefunden und genutzt werden. Was sind die Stärken des Einzelnen, was sind Stärken der Beziehung, die hier genutzt werden können? Was macht das Paar aus, jenseits des Problems? Die unterschiedlichen Problemlösungsstrategien der Partner wertschätzen zu lernen statt zu kritisieren kann das Problemlösungsrepertoire des Paares erheblich vergrößern. So können emotionale Unterstützung (Mut machen, Wertschätzung, Verständnis) und problembezogene Unterstützung (beim Erledigen von Aufgaben helfen) sich ergänzen, aber auch Ablenkung als Sofortmaßnahme und die Beschäftigung mit hilfreichen Gedanken und positiven Selbstwertüberzeugungen, wie auch die Übernahme von zumutbaren Aufgaben im Alltag als konkrete Maßnahmen. Dies alles muss evtl. zunächst reflektiert und eingeübt werden. Es handelt sich um einen Prozess, der Zeit benötigt, der aber jenseits des partnerschaftlichen Handlings der Krankheit die Möglichkeit in sich birgt, die Beziehung als solches, jenseits der Krankheit, wesentlich zu verbessern.