Dankbarkeitspraxis ist kein Sich-das-Leben-schön-reden. Das zeigt allein schon die Wirksamkeit von Dankbarkeit. Eine rosa Brille verschleiert den Blick. Dankbarkeitspraxis macht ihn klar. Eine regelmäßige Dankbarkeitspraxis eröffnet Möglichkeiten, unser Leben und unsere Beziehungen aktiv zu verbessern. Sie freundlicher, freudiger, verbundener und bunter zu gestalten.
Wie funktioniert Dankbarkeitspraxis?
Unser Hirn arbeitet unabläßig. Unser Geist produziert pausenlos Gedanken. Viele davon sind uns nicht bewusst. Viele Gedanken reproduzieren wir immer und immer wieder und hypnotisieren uns sozusagen ständig selbst. Die meisten unserer Gedanken sind sehr negativ, einseitig, kritisch uns selbst und anderen gegenüber und damit nicht wirklich hilfreich.
Die Wissenschaften der Positiven Psychologie und der Achtsamkeit bieten wirksame Werkzeuge, wieder Herr unseres Geistes zu werden. Indem wir diese Gedanken einerseits aufdecken und hinterfragen, andererseits, mittels Dankbarkeitspraxis lernen, unsere Aufmerksamkeit auf gute, positive Gedanken zu fokussieren und damit einen hilfreicheren Blickwinkel einzunehmen.
Dies bedeutet nicht, schwierige und unschöne Tatsachen zu ignorieren. Es bedeutet nicht, die Augen vor der Realität zu verschließen. Es bedeutet aber, dem Negativ-Bias, den wir Menschen von Natur aus einnehmen, einen positiven Blickwinkel an die Seite zu stellen. Um ein ausgeglicheneres Bild von der Welt zu erhalten und gleichzeitig innerlich ausgeglichener und damit positiver zu werden.
Wie übe ich Dankbarkeitspraxis aus?
Ein einfacher Weg, sich in Dankbarkeit zu üben, könnte sein, sich jeden Tag einen Augenblick Zeit zu nehmen und sich zu überlegen, was denn gerade gut läuft im eigenen Leben, was erfreulich ist und glücklich macht. Manche mögen ein Dankbarkeitstagebuch führen, in das sie täglich eintragen, wofür sie dankbar sind. Eine sehr schöne Idee ist die Variante des 6-Minuten Tagebuchs (Ein solches gibt es tätsächlich mit diesem Namen im Handel, vielfältige andere auch. Wir können uns aber ziemlich einfach ein solches Tagebuch selbst in einem Heft kreieren). Täglich werden morgens und abends jeweils drei Minuten für konkrete Fragen aufgewendet, die einen bestimmten Zweck erfüllen. Also ein recht geringer Zeitaufwand.
Die morgentlichen Fragen, die Du Dir stellst könnten lauten:
- Für welche drei Dinge/Personen/Tatsachen bist Du heute dankbar? (Das kann alles sein. Und natürlich muss es auch nicht jeden Tag etwas komplett Neues sein. Diese Frage fokussiert auf das Positive.)
- Was würde meinen Tag zu einem guten Tag machen (wähle Dinge, die Du aktiv gestalten kannst. Z.B. „Wenn es mir gelingt, in einen friedlichen Kontakt mit meiner Tochter zu kommen“ – Sich einen „Sechser im Lotto“ vorzustellen macht hier weniger Sinn. Diese Frage betont den Eigenanteil an der positiven Gestaltung des Lebens.)
- Was ist meine Intention für heute? Welcher Satz würde mich positiv bekräftigen heute? (Eine Intention ist ein positive Vorhaben wie z.B. „Heute sorge ich gut für mich selbst“ oder „Jeden Tag gehe ich einen kleinen Schritt in die gewünschte Richtung“. Diese Frage bringt uns in die Aktivität.)
Fragen am Ende des Tages sind zum Beispiel:
- Was habe ich heute an Schönem/Tollem/Lehrreichem erlebt? (Wahrnehmen des Positiven)
- Was habe ich heute Gutes für jemanden getan? (Diese Frage gefällt mir persönlich ganz besonders gut, denn sie hilft uns, indem sie jeden Tag wieder beantwortet wird, uns nicht nur um uns selbst zu drehen. Sie führt dazu, dass wir Verbundenheit mit anderen leben. Und dies wiederum macht uns zufriedener und dankbarer.)
- Was werde ich morgen besser machen? (Jeder Tag ist ein Neuanfang! Wir haben jeden Tag neu die Chance auf ein glücklicheres Leben! Diese Frage hilft uns auch, gnädiger mit uns selbst umzugehen. Dass ich heute nicht ganz erfüllt habe, heißt nicht, dass ich ein Versager bin, sondern, dass ich Neues dazu lernen kann. Gnädig sein heißt dankbar sein.)
Probier es einfach einmal aus! Der Zeitaufwand ist sehr klein und die Effekte erstaunlich.
Auch betreffend unsere Partnerbeziehungen können wir eine Dankbarkeitspraxis einrichten. Manchmal schlage ich Paaren, die aufgehört haben, sich gegenseitig Wertschätzung zu zeigen, vor, jeder solle jeden Abend drei Dinge aufschreiben, die er an diesem Tag als positiv empfand, betreffend den Partner. Sich diese gegenseitig mitzuteilen, ist gar nicht nötig. Denn wenn ich jeden Tag drei Dinge aufschreibe, die ich gut finde an meinem Partner, wird dies auch schweigend seine Wirkung haben. Es verändert meinen Blickwinkel, es verändert meine Einstellung, es verändert meine Gefühle und es wird am Ende auch mein Verhalten ändern. Zum Positiven. Diese Positivliste hat einen wundervollen zusätzlichen Effekt: Wenn ich auch in guten Zeiten meine Liste weiter führe, habe ich einen Schatz an wertvollen Eigenschaften und Verhaltensweisen meines Partners, festgehalten auf Papier. Und ich kann in schweren Zeiten, wenn der Blick und das Herz nicht offen sind und die Gedanken schwarz und ungnädig, darauf zurückgreifen. Ich kann hier finden, was ich in guten Zeiten empfunden habe und Klarheit gewinnen dadurch, dass ich diesen zweiten Blickwinkel zur Verfügung habe.
Durch Dankbarkeitspraxis bleibt kein Bild vom Leben und den Menschen in Schwarz-Weiß. Dankbarkeitspraxis zeigt uns, wie bunt das Leben ist. Sie kann uns helfen, wieder Freude zu empfinden, dadurch, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf das Positive lenken und dem Negativen gnädig gegenüberstehen. Negatives gehört zum Leben und zu den Menschen, aber es macht nicht das ganze Leben und nicht einen ganzen Menschen aus. Wir haben die Wahl, worauf wir unsere Aufmerksamkeit lenken.